Institut Mensch, Technik und Teilhabe


situCare (2016-2019)

Versorgungskoordination, situative Unterstützung und Krisenintervention in der Pflege von schwerstpflegebedürftigen und technologieabhängigen Menschen

PROJEKTBESCHREIBUNG

Ziel des Projektes ist die Entwicklung von neuen Mensch-Technik-Interaktionssystemen und darauf aufbauenden pflegerischen Versorgungsprozessen und -strukturen, die

  • technische Möglichkeiten zur situativen Unterstützung in Krisensituationen bieten (in verschiedenen Ab-stufungen sowohl für nicht-beruflich Pflegende als auch für professionell Pflegende)
  • über mobile IT-gestützte Werkzeuge zur Versorgungssteuerung und entsprechende Ansätze zum Versorgungs-management eine effiziente Koordination der Akteure im Pflegenetzwerk sicherstellen und gleichzeitig Instrumente zur Qualitätssicherung bereitstellen
  • den Pflegenden und Gepflegten Möglichkeiten des Austauschs und des gemeinsamen Erlebens geben und so psychosoziale Unterstützung bieten und Wohlbefinden fördern

Dazu werden in Fallstudien exemplarisch zwei Anwendungsfelder betrachtet, die sich beide durch spezialisierten Pflegebedarf, eine hohe Belastung der Pflegenden und Abhängigkeit der Pflege von technischen Geräten auszeichnen: Die ambulante Intensivpflege bei Heimbeatmung und die spezialisierte ambulante Palliativpflege. Dabei sollen zur Unterstützung in Krisensituationen folgende Ansätze integriert werden

  • situative Bereitstellung von Wissensbausteinen (z.B. Videoanleitungen)
  • niederschwellige, situative Unterstützung und Assistenz, insbesondere bei Problemen mit technischen Geräten
  • Bereitstellung von Möglichkeiten zur synchronen und asynchronen Kommunikation mit Akteuren im Versor-gungsnetzwerk
  • ggf. Ansätze zur automatischen Erkennung von Krisensituationen bzw. deren Anbahnung

 

AKTUELLE THEMEN

Telepräsenz

In der Grundlagenforschung wurden Pflegekräfte aus dem Ambulant- und Intensivbereich interviewt. Gerade im ambulanten Dienst wird von interviewten Pflegekräften oft kritisiert, dass pflegende Angehörige diese wegen „Kleinigkeiten“ kontaktieren. Diese können oft nicht mündlich geklärt werden und die Pflegekräfte besuchen die Betroffenen direkt vor Ort.

Manchmal kommt es vor, dass ein professioneller Pfleger einen halben Tag mit einer Fahrt verbringt, nur um zu bestätigen, dass der richtige Schalter bei einer Schmerzpumpe verwendet wurde. Einerseits ist es verständlich, dass Familienangehörige, lieber eine doppelte Bestätigung haben wollen – andererseits kann dies aus wirtschaftlicher und Sicht für die Pflegedienste äußerst ungünstig sein.

Abbildung 1: Telepräsenzroboter Kubi

Eine einfachere Lösung als Geräte, Verhaltensweisen oder Reaktionen vor Ort zu erklären, bietet unsere heutige Technologie über Telepräsenz. Mit Hilfe von Tablets, Smartphones und Robotern können Videokonferenzen geführt werden, und Geräte, sowie Verhaltensweisen anhand bildlicher Informationen erklärt werden.

Abbildung 2: Telepräsenzroboter Double

Hierzu werden im Projekt Tablets mit Skype, die zwei ferngesteuerten Roboter Kubi (siehe Abbildung 1) und Double (siehe Abbildung 2), sowie ein sogenannter Schwanenhals verwendet.
Mithilfe von professionellen Pflegediensten wird der Einsatz und die Effektivität dieser Technologien in der Praxis erfasst und evaluiert werden. Dabei werden u.a. professionelle Pflegende, pflegende Angehörige, sowie Betroffene befragt.

 

Absaugen

Bildergebnis für Tracheostoma

Abbildung 3: Tracheostoma

In der Grundlagenforschung wurden Pflegekräfte aus dem Ambulant- und Intensivbereich interviewt. Dabei hat sich vor allem das Thema Absaugen bei Menschen mit Tracheostoma (siehe Abbildung 3) als kritisch herausgestellt. Diese Menschen haben eine Öffnung an der Halsgrube, über die sie beatmet werden. Dabei muss regelmäßig die Flüssigkeit, die sich in der Lunge ablagert, mit Hilfe eines speziellen Geräts abgesaugt werden.

Viele Pflegekräfte beteuerten, dass sie Angst vor diesem Eingriff haben und im Zweifelsfall lieber einen Arzt oder einen Kollegen kontaktieren. Manchmal liegt keine ausreichende Ausbildung vor und der Eingriff wird unsauber ausgeführt. Durch unregelmäßiges oder unsauberes Absaugen werden auch die Beschwerden der Patienten erhöht.

 

Abbildung 4: NeuroSimVR

Eine Idee, die Ausbildung weiter auszubauen und bei Pflegekräften die Angst vor dem Eingriff zu reduzieren, ist die Anwendung von VR (Virtual Reality). Im virtuellen Raum kann der Eingriff an einem Modell geübt werden. In der Chirurgie gibt es hierzu schon zahlreiche Anwendungen, wie z.B. NeuroSimVR zum Trainieren von Gehirnoperationen (siehe Abbildung 4).

Die wissenschaftlichen Grundlagen aus der Medizin und der Informatik wurden angewandt, um eine VR-Simulation zum Absaugen bei Menschen mit Tracheostoma zu entwickeln. Innerhalb dieser können Pflegekräfte den Eingriff üben.

 

Ein Ausschnitt der entwickelten Simulation ist in Abbildung 5 zu sehen.

Abbildung 5: Ausschnitt der entwickelten Simulation

Die Implementierung ist über Unity erfolgt und als Hardware wird die HTC Vive verwendet.

Der Anwender zieht eine Art Brille, die HTC Vive (ein sog. Head-Mounted-Display) auf (siehe Abbildung 6) und befindet sich in einem virtuellem Raum mit medizinischen Geräten und einem Patienten.

Abbildung 6: Anwendung der Simulation mit der HTC Vive

Dann wird eine Schritt-für-Schritt Anleitung zum Absaugen befolgt. Dabei werden u. a. virtuelle Handschuhe, ein virtuelles Absauggerät und eine virtuelles Beatmungsgerät verwendet. Es steht weniger die mechanische Präzision als das Eintauchen und Nehmen der Angst im Vordergrund.

Das Modell des Patienten reagiert auf den Eingriff mit Husten und schmerzhaften Reaktionen und wird unter Atemnot rot, sodass sich das Szenario immersiv anfühlt.

Die Praxistauglichkeit der entwickelten Simulation soll als nächstes über Studien mit Studenten und professionellen Pflegekräften getestet und evaluiert werden.

 

PROJEKTPARTNER

  • VitalAire Group, Norderstedt
  • Palliativnetz Freiburg gGmbH, Freiburg
  • nubedian GmbH, Karlsruhe
  • Hochschule Furtwangen
  • FZI Forschungszentrum Informatik, Karlsruhe

KONTAKT

Prof. Dr. Peter König

Institutsleitung

Professor für Pflege und Rehabilitationsmanagement

Prof. Dr. Christophe Kunze

Institutsleitung

Professor für Gesundheitstechnologien

Ulrike Lindwedel, M.Sc.

Akademische Mitarbeiterin & Doktorandin

Fachgebiet: Pflege- und Gesundheitswissenschaften, Palliative Care

Christian Plotzky, M.Sc.

Akademischer Mitarbeiter

Fachgebiete: Informatik, IT (Services), VR

Lisa Blattert, B.Sc.

Gastwissenschaftlerin

Fachgebiet: Angewandte Gesundheitswissenschaften und Technik


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